Eine Frage, die Deutschland nach der kurzfristigen Abschaltung der ältesten Atommeiler beschäftige, ist: Reicht die produzierte Strommenge trotz Atom-Moratorium aus, oder muss mehr Strom importiert werden? Für eine Antwort müssen zwei Kennzahlen betrachtet werden, nämlich bestehende Kraftwerkskapazität und Stromverbrauch.
Zur Ermittlung der zur Verfügung stehenden Strommenge kann die vom Umweltbundesamt (UBA) zur Verfügung gestellte Kraftwerksliste (Stand April 2011) genutzt werden. Danach standen in Deutschland vor Inkrafttreten des Moratoriums etwa 101,7 Gigawatt elektrische Leistung zur Verfügung. Durch das Moratorium sind 10,2 Gigawatt vom Netzt gegangen, es bleiben also 91,5 Gigawatt übrig. Zieht man davon noch die für die Regelung des Stromnetzes nötigen Kapazitäten (etwa 6,2 Gigawatt) ab, stehen mindestens noch 85,4 Gigawatt zur Verfügung. Die UBA-Liste umfasst dabei nur Kraftwerke ab einer elektrischen Leistung von 100 Megawatt, die enthalten Zahlen berücksichtigen also nicht die zahlreichen kleineren Blöcke auf Basis erneuerbarer Energien. Tatsächlich dürften also noch deutlich höhere Kapazitäten vorhanden sein.
Der Stromverbrauch in Deutschland sinkt sein 2002 kontinuierlich, die Jahreshöchstlast betrug 73,0 Gigawatt im Jahr 2009. Dieser Wert wird erfahrungsgemäß jedes jahr im Winter erreicht, in den letzten Wochen des Frühjahrs 2011 lag die Höchstlast in Deutschland bei lediglich 52,0 Gigawatt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Der aktuelle Stromverbrauch macht mit 52 Gigawatt lediglich 60 Prozent der mindestens vorhandenen Kraftwerkskapazität von 85,5 Gigawatt aus. Deutschland könnte sich ohne Weiteres selbst mit Strom versorgen, durchgeführte Stromimporte haben ausschließlich wirtschaftliche Gründe.
Bemerkung zur verwendeten Einheit Gigawatt: Wird ein Kraftwerk nahezu kontinuierlich betrieben, kann es mindestens 8000 Betriebsstunden pro Jahr erreichen. 1 Gigawatt (GW) elektrische Leistung entsprechen dann einer produzierten Strommenge von 8000 Gigawattstunden pro Jahr beziehungsweise 8000 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt in Deutschland benötigt etwa 4000 Kilowattstunden pro Jahr.